Die Auswanderung aus Polen nach Bessarabien

Katharina die Große hatte bei der Ansiedlung deutschsprachiger Kolonisten in verschiedenen Grenzgebieten Rußlands stets gute Erfahrungen gemacht, weil diese ihre neue Heimat gegen Überfälle von außen immer wieder selbst verteidigten. Aus diesem Grunde rief auch Kaiser Alexander I. deutsche Bauern nach Bessarabien und schenkte ihnen das von den Türken befreite Weide und Steppenland am Schwarzen Meer. Sie sollten es für die landwirtschaftliche Nutzung erschließen und ihre Dörfer darauf anlegen. Zwischen 1814 und 1842 kamen rund 10 000 Einwohner unter den gleichen Bedingungen und Privilegien nach Bessarabien, die schon im Manifest der Kaiserin festgelegt waren. Am stärksten von der Auswanderung betroffen waren die Gemeinden Neu-Sulzfeld und Grömbach. Von hier ging Anfang 1814 eine starke Auswanderergruppe unter Führung von Bernhard Bohnet und Martin Vossler nach Bessarabien.

 




Das Manifest der Kaiserin Katharina II.

Bedingungen und Privilegien

 


1. Die russische Regierung nimmt die Kolonisten aus dem Herzogtum Warschau unter ihren besonderen Schutz und gewährt ihnen alle Rechte und Bequemlichkeiten, welche die Eingeborenen genießen.

2. Von den Kolonisten wird verlangt, daß sie sich vorzugsweise mit der Verbesserung des Acker-, Garten-, Wein– und Seidenbaues beschäftigen.

3. Sie sind 10 Jahre lang frei von allen Abgaben und Grundsteuern, abgesehen von einer geringen Zahlung an die bessarabischen Pächter.

4. Es werden jeder armen Familie von der Krone auf 10 Jahre 270 Rbl. Banko ausgezahlt, den anderen soviel, wie zu ihrer ersten Einrichtung erforderlich sein wird.

5. Jeder Familie werden zu ihrem persönlichen und erblichen Eigentum 60 Deßjatinen Land zugeteilt.

6. Außerdem erhalten alle diejenigen, welche keine Lebensmittel haben, vom Tage ihrer Ankunft in Rußland an für jede Seele pro Tag 5 Kop. Nahrungsgeld bis zur ersten Kornernte.

7. Die Einwanderer sowohl, wie auch ihre Nachkommen sind ein– für allemal von der Rekrutenaushebung frei, ebenso von militärischen Einquartierung, den Fall ausgenommen wenn Durchmärsche stattfinden.

8. Es steht den Kolonisten frei, ihre Religion gemäß Kirchen zu bauen, Geistliche zu halten und ihre Religionsgebräuche nach ihrer Weise auszuüben.

9. Nach Ablauf der 10 Jahre werden andere 10 Jahre bestimmt, in welchen die den Kolonisten gewährten Unterstützungen der Krone zurückzuzahlen sind.

Dieser Aufruf wurde in allen europäischen Staaten verteilt; von durchschlagendem Erfolg war er nur in Deutschland. Um dem Manifest größeren Nachdruck zu verleihen, wurden staatliche "Auswanderungsagenten" angestellt, und mit Privatunternehmern, besonders Franzosen, Belgiern und Schweizern, schloß die Regierung Verträge ab und zahlte für jede gewonnene Familie Prämien.
Im Jahre 1871 wurden alle Privilegien aufgehoben; von da an hatten die Deutschen u.a. auch Militärdienst zu leisten.


Zar Alexander I. 1801-1825

 

Nach seinem Sieg über die Türken erhielt Zar Alexander I. 1812 im Friedensvertrag von Bukarest die Landschaft zwischen Pruth Dnjestr zugesprochen, die von da an „Bessarabien“ hieß. Der südliche Teil wurde an verdiente russische Adlige verschenkt. Ein Teil von Mittelbessarabien wurde ab 1814 an deutsche Bauern zu je 60 Dessjatinen verschenkt, um die Waldsteppe nach dem Abzug vieler moldauischen Bauern nicht zu lange versteppen zu lassen. Auf diesem Land wurden die deutschen Mutterkolonien Tarutino, Beresina, Borodino, Kulm, Wittenberg usw. angelegt. Insgesamt 24 Mutterkolonien.